Der andere Liebhaber

Filmkritik zu:

Der andere Liebhaber

von Reinhard

 

Über den Film:

Als Chloé zum Psychologen geht, beginnt ein neuer Abschnitt in ihrem Leben. Die Ärzte finden für ihre Bauchschmerzen keine Ursache. Und dann liegen psychische Ursachen nahe.

Der Psychologe Paul ist jung und hübsch, wie sie. Und er zeichnet sich dadurch aus, dass er fast nicht sagt. Er lässt Chloé einfach reden. Und tatsächlich, nach einiger Zeit, öffnet diese sich und erzählt frei von ihrem Leben. Dem Verhältnis zu ihrer Mutter, ihrem bisherigen Liebesleben.

Nach einiger Zeit geht es ihr auch besser. Sie wird selbstbewusster, findet einen Job. Und die Schmerzen in der bauchgegend sind verschwunden. Paul schlägt vor die Behandlungen zu beenden. Chloé ist zuerst verwirrt, bis sie versteht, dass er Gefühle für sie hegt. Was natürlich in einem Arzt-Patient-Verhältnis gar nicht geht.

Aber da es Chloé ganz ähnlich geht, ist die Lösung ganz einfach.

Wenig später ziehen die beiden zusammen in eine gemeinsame Wohnung. Die Nachbarin ist liebenswert, aber etwas nervig. Und Paul hat Probleme mit Chloés Katze. Alles nichts Weltbewegendes.

Auch als Chloé einen alten Ausweis von Paul findet, ist das erst einmal nichts Besonderes. Nur das der Familienname ein anderer ist ist dann doch irritieren. Aber die Geschichte die er dazu anbietet, die stinkt. Und als erfahrener Kinogänger ist klar, da kommt noch was.

Doch der nächste Schock kommt als sie ihn, vom Bus aus, irgendwo steht, wo er überhaupt nicht sein sollte. Und, zur Rede gestellt, auch alles bestreitet. Noch mehr Geheimnisse.

Chloé forscht nach, und in dem Haus ist tatsächlich die Praxis eines Psychiaters. Unter falschen Namen macht sie einen Termin und steht ihrem Freund gegenüber. Oder besser gesagt nicht ihrem Freund. Aber einem Mann, der diesem zum Verwechseln ähnlich sieht. Aber er stellt sich als Loise vor. Und ja, er kennt einen Paul. Das ist sein Bruder. Genauer gesagt sein Zwillingsbruder. Sie haben auch gemeinsam studiert. Aber sonst nicht viel gemeinsam, wie er offen zu gibt. Und wie man, als Zuschauer, auch sehr schnell merkt.

Denn dieser Film, der im Original L´Amant Double – Der doppelte Liebhaber heißt, spielt mit der Idee der doppelten Existenz. Sind es im Anfang Aufnahmen, bei denen die Akteure zweifach im Bild sind, einmal in der Totalen – und gleichzeitig in der Nahaufnahme, teilen sich, an anderen Stellen, die Spieler in Zwei.

Und das im Museum, der Arbeitsstelle von Chloé, überall Bilder und Skulpturen zu sehen sind, in denen das Innerste nach außen gestülpt ist, fügt eine weitere Metaebene hinzu.

Jedenfalls ist der andere Bruder wirklich ganz anders als ihr Liebhaber. Oder ist es doch der Gleiche und spielt nur mit ihr? Und was ist mit den ganzen Visionen, die sie immer wieder hat?

Ozon strickt daraus ein Gespinst von Geschichte, Lügen, Verdächtigungen. Garniert es mit Begierde und Leidenschaft. Nein, zimperlich sollte man für diesen Film nicht sein. Selbst manch eine ekelhafte Szene ist zu sehen. Dabei mag ich so was überhaupt nicht. Aber hier passt es.

Und die Ebenen verwischen sich. Was ist Realität, was Fiktion. Was aus der Angst geboren, was aus dem Wunsch. Und wer will das trennen?

Der Zuschauer ist ratlos. Und der Film gibt nicht wirklich eine Antwort. Wer auf psychologisch verschachtelte Geschichten steht, wird seine Freude haben. Ein Einblick in die menschliche Psyche, wie man ihn selten sieht. Beeindruckend, auf jeden Fall. Verstörend, sicherlich für die meisten. Großartig erzählt, keine Frage. Aber auch ein großartiger Film?

Ich vergeben, nach langem Zögern, fünf von sechs Hüten.
Bei schlechteren Schauspielern wären es wohl nur drei geworden. Aber prima Schauspieler, ein klasse Regisseur und einer Geschichte, die auch in den Horror abgleiten gekonnt hätte. Das trägt die Geschichte durch manche Untiefen.

Technisches:

Originaltitel: L’amant double
Regie: François Ozon Andere Filme: Frantz (2016), Swimming Pool (2003), 8 Frauen (2002)

Buch:

  • Joyce Carol Oates Andere Filme: Vengeance: A Love Story (2017), Foxfire (2012), We Were the Mulvaneys (2002)
  • François Ozon Andere Filme: Frantz (2016), Swimming Pool (2003), 8 Frauen (2002)
  • Philippe Piazzo Andere Filme: Frantz (2016), Tout est calme (2000)

Schauspieler:

  • Marine Vacth (als Chloé Fortin) Andere Filme: La confession (2016), Jung & schön (2013), Mein Stück vom Kuchen (2011)
  • Jérémie Renier (als Paul Meyer / Louis Delord) Andere Filme: Das unbekannte Mädchen (2016), Brotherhood of Tears – Die letzte Lieferung (2013), My Way – Ein Leben für das Chanson (2012)

Kamera: Manuel Dacosse Andere Filme: Axolotl Overkill (2017), The Lady in the Car with Glasses and a Gun (2015), Der Tod weint rote Tränen (2013)

Musik: Philippe Rombi Andere Filme: Frantz (2016), Asterix im Land der Götter (2014), Willkommen bei den Sch’tis (2008)

Verleih: Weltkino Filmverleih
FSK: 16
Laufzeit: 107 Minuten
Genre: Drama, Thriller
Kinostart: 18. Januar 2018

Wiki: Wiki
IMDB: imdb

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Über reinhard

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