Filmkritik zu:
Die dunkelste Stunde
von Reinhard
Über den Film:
Als Winston Churchill (Gary Oldman) den Antrittsbesuch beim König macht, hat dass was von Sich-beim-großen-Bruder-melden. Keiner der beiden will es, es ist sichtbar peinlich, und unglaublich steif. Churchill, der sonst so wortgewandt ist, hat tatsächlich keine Worte für diesen Moment.
Churchill ist klar, dass er nur ein Zwischenkandidat ist. Einer, um die Opposition zu beruhigen. Und eine Zusammenarbeit mit der anderen Partei, eine große Koalition, ist angebracht in den Zeiten des Krieges. Hitler hat ja gerade, nach dem erfolgreichen Polen-Feldzug, die Beneluxstaaten überrannt und schickt sich an Frankreich einzunehmen. Da braucht England ein geeintes Parlament.
Aber es ist kein Film über Politik. Das mag seltsam klingen, wo doch praktisch in jeder Szene Politik das beherrschende Thema ist. Aber es beginnt schon damit, das die Geschichte aus dem Blickwinkel von Churchills Sekretärin geschildert wird. Jung, hübsch, sicherlich gut in dem, was sie tut. Und so jemand wird dem Egomanen Churchill zum Frühstück vorgeworfen. Die Szene, wo die beiden zum ersten Mal zusammentreffen ist jedenfalls wunderbar. Und lässt schon viel über die Qualität des Films erahnen.
Nein, es ist kein Film über Politik. Es geht um die Person. Um Freundschaft, um Überzeugung, Vertrauen und manchmal auch um Verzweiflung. Und wer den Anderen besser Unterbrechen kann. Es ist ein zutiefst menschlicher Film. Und Gary Oldman bringt das rüber. Durch eine Maske hindurch, hinter der man ihn praktisch nicht erkennt. Etwas Ähnliches habe ich bislang wohl nur bei einem anderen Film gesehen: Monster mit Charlize Theron, die sich total verwandelte. Wenn auch mehr mit Make-up, weniger mit aufgeklebtem Latex.
Überhaupt, wie kommt man auf die Idee Gary Oldman, für so eine Rolle, auch nur in die engere Wahl zu nehmen? Dieser ist eher normal gebaut. Zu dem heftig übergewichtigen Churchill fehlten vielleicht 30 kg Körpergewicht. Aber der Regisseur und die Produzenten haben wohl was gesehen. Und es hat sich bewährt, wie man inzwischen weis.
Denn Oldman lässt das alles vergessen. Er spielt den Säufer Churchill einfach Grandios, und glaubwürdig. Mit Tiefe und Humor. Zeitlich hat der Film einen fest abgesteckten Rahmen. Es gibt zwar Andeutungen darüber, was Churchill früher gemacht hat, wie er wurde, was er ist. Aber es tatsächlich geht es nur um die ersten Wochen seine Zeit als Premierminister, die im Mai 1940 begann.
Vermutlich die schwerste Zeit seiner Regentschaft. Die Deutschen überrennen gerade alles. Die Amerikaner sind sehr sehr zurückhaltend. Feinde und Neider sind überall. Und in Dünkirchen sitzt die gesamte britische Armee, wartet darauf von den Deutschen aufgerieben oder gefangen genommen zu werden. Nein, keine leichte Zeit.
Doch allmählich schließt sich ein Kreis von Filmen zu gleichen oder doch wenigstens ähnlichen Themen, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Wer etwa den absolut witzigen Film „The King’s Speech“ gesehen hat, hat einen guten Einblick in die königliche Familie dieser Zeit, und besonders von King Georg VI, erhalten. Im bildgewaltigen „Dunkirk“ hat Christopher Nolan den verzweifelten Soldaten in Dünkirchen ein Denkmal gesetzt. Und in dem kleinen Film „Their Finest“ wird die Gesellschaft dieser Zeit porträtiert, durchaus mit Humor. Auch, wie die Ereignisse in Dünkirchen für die Propaganda ausgeschlachtet wurde. Und jetzt der gleiche Zeitrahmen aus der Sicht der Politiker.
Und nun: „Darkest Hour“. Dessen Hauptdarsteller zurecht den Oskar 2018, als den Besten Hauptdarsteller, erhalten hat.
Ich vergebe fünf von sechs Hüten.
Technisches:
Originaltitel: Darkest Hour
Regie: Joe Wright Andere Filme: Anna Karenina (2012), Wer ist Hanna? (2011), Stolz & Vorurteil (2005)
Buch: Anthony McCarten Andere Filme: Die Entdeckung der Unendlichkeit (2014), Am Ende eines viel zu kurzen Tages (2011), Familienglück oder andere Katastrophen (1998)
Schauspieler:
- Gary Oldman (als Winston Churchill) Andere Filme: Planet der Affen: Revolution (2014), Dame, König, As, Spion (2011), Harry Potter und der Gefangene von Askaban (2004)
- Lily James (als Elizabeth Layton) Andere Filme: Stolz und Vorurteil & Zombies (2016), Cinderella (2015), Zorn der Titanen (2012)
- Kristin Scott Thomas (als Clemmie) Andere Filme: The Party (2017), Lachsfischen im Jemen (2011), Shopaholic – Die Schnäppchenjägerin (2009)
Kamera: Bruno Delbonnel Andere Filme: Die Insel der besonderen Kinder (2016), Dark Shadows (2012), Die fabelhafte Welt der Amelie (2001)
Musik: Dario Marianelli Andere Filme: Redemption – Stunde der Vergeltung (2013), Lachsfischen im Jemen (2011), Der Solist (2009)
Verleih: Universal
FSK: 6
Laufzeit: 125 Minuten
Genre: Historie, Drama, Biografie
Kinostart: 18. Januar 2018
Homepage: Die dunkelste Stunde
IMDB: imdb
Wikipedia: wiki