Filmkritik zu:
Drei Gesichter
von Reinhard
Über den Film:
Ein Video, eine Botschaft, eine verstörende Botschaft.
Es ist keine gute Nachricht, welche die bekannte Schauspielerin auf dem Handy erhält. Ein Video einer jungen Frau. Studentin der Schauspielschule in Teheran. Oder zumindest demnächst. Die Anmeldung hat Sie wohl geschafft. Das Ganze ist sehr verwirrend.
Und es endet damit sich die Frau, fast noch ein Kind, sich den Strich um den Hals legt. Das Telefon fällt wohl herunter, das Video ist zu Ende. Die Schauspielerin Behnaz Jafari, die sich selbst spielt, ist völlig aufgelöst. Verlässt den Dreh, vertraut sich Jafar Panahi an, der sich auch selbst spielt. Er, der Freund, Kollege, Kumpel, fährt mit Ihr in die Berge, wo das Dorf liegen soll, aus dem das Mädchen kommt. Das ist der Ausgangspunkt des Films, hier beginnt die Filmkamera zu laufen. Also die richtige, Die für diesen hundertminütigen Ausflug, in eine fremde Welt.
Dabei hat der Iraner Panahi auf kleinste Technik gesetzt. Sicherlich ein mini Team benutzt, um diese Geschichte umzusetzen. Immerhin ist Panahi schon seit Jahren mit einem Berufsverbot belegt. Und dennoch schafft er es immer wieder mit wunderbaren Erzählung das Publikum zu begeistern, so auch hier.
Dabei ist die Kamera die er benutzt sicherlich etwas Kleines, etwas sehr Kleines. Was man in manchen Einstellungen sieht. Da ist der Hintergrund unnötig unscharf, fast schon künstlich. Und bei schnellen Bewegungen sieht man, dass hier mit weniger Bilder pro Sekunde aufgenommen wurde, als im Kino üblich sind. Und beim Umspielen auf das Kinoformat entstehen dann seltsame Effekt.
Aber das ist alles nicht wichtig. Denn die kleine Kamera geht sehr nahe an die Gesichter ran. Besonders am Anfang, im Auto, sind diese riesig. Das kennt man gar nicht mehr, und unterstützen damit die Geschichte. Denn als nach langem Suchen das Dorf gefunden wurde, scheint dort alles in Ordnung zu sein. Sollte das Ganze nur ein schlechter Witz gewesen sein? Von einem toten Mädchen ist jedenfalls weit und breit nichts zu sehen.
Aber als der Name des Mädchens fällt, werden die Dorfbewohner seltsam einsilbig. Und als die beiden Außenseiter das Haus des Mädchens finden, den Bruder erleben, und mit der Mutter reden ist klar, das diese nichts wissen. Die Tochter ist seit drei Tagen verschwunden. Was schon mal passiert. Aber im Nachbardorf, wo sie sich in so einem Fall aufhält, ist sie nicht. Die Schauspielerin macht sich Vorwürfe.
Dabei ist es eine anarchische Welt, die hier gezeigt wird. Weit von dem zivilisierten Teheran entfernt, und das ist für uns Westlern sicherlich schon seltsam genug. Aber solch ein Dorf, und ich habe keine Zweifel dass es so was noch gibt, war hier in Europa vielleicht zuletzt vor hundert Jahren gesehen. Da ändert es auch nichts das die Bewohner Satelliten-TV und Handy haben.
Dabei sind alle super freundlich, es wird immer gleich Tee angeboten, Früchte werden aufgetischt. Klassische Freundlichkeit wie man diese aus solchen Ländern kennt. Aber unter der Oberfläche kann es ganz anders aussehen. Wenn eine Person seltsam erscheint, wird diese vom Dorfvorstand als unerwünscht deklariert, und solange ‚bearbeitet‘ bis diese wegzieht. Und speziell Frauen sind zum Heiraten gut, also wozu die Zeit verschwenden mit Lernen?
Es ist ein Sittengemälde, das Panahi seinen Landsleuten vorhält. Und kein Angenehmes.
Vor mir bekommt der Film jedenfalls sechs von sechs Hütten, vielleicht mit leichten Abstrichen. Denn vieles ist doch zu fremd. Aber das ist kein Fehler des Films. Eher ein Zeichen westlicher Arroganz.
Technisches:
Originaltiel: Se rokh
Regie: Jafar Panahi Andere Filme: Taxi Teheran (2015), Offside (2006), Der Kreis (2000)
Buch:
- Jafar Panahi Andere Filme: Taxi Teheran (2015), Offside (2006), Der Kreis (2000)
- Nader Saeivar Andere Filme: –
Schauspieler:
- Behnaz Jafari (als Behnaz Jafari) Andere Filme: Wander About Me (2017), The President’s Cell Phone (2012), Schwarze Tafeln (2000)
- Jafar Panahi (als Jafar Panahi) Andere Filme: –
- Marziyeh Rezaei (als Marziyeh Rezaei) Andere Filme: –
Kamera: Amin Jafari Andere Filme: Conditional Release (2017), A Very Ordinary Citizen (2015), Parviz (2012)
Verleih: Weltkino Filmverleih
FSK: 12
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Drama
Start: 26 Dezember 2018